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Arzneimittelepidemiologie

Die Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie GAA, e.V. ist eine Fachgesellschaft für Ärzte, Apotheker, Sozialwissenschaftler, Epidemiologen und Gesundheitswissenschaftler, die sich mit Fragen der Arzneimittelanwendungsforschung und der Arzneimittelepidemiologie beschäftigen.

Sie wurde 1992 gegründet und versteht sich in erster Linie als ein Forum für den wissenschaftlichen Austausch insbesondere zu Public Health-relevanten Fragestellungen über die Anwendung und den Gebrauch von Arzneimitteln. Die GAA engagiert sich für eine Nutzung von Daten der Gesetzlichen Krankenkassen für Fragen der Arzneimittelsicherheit ( Pharmakovigilance) und der Versorgungsqualität.


Posterpräsentation zur 12.Jahrestagung der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie (GAA) 30.11.-1.12.2005, Dresden

Zusammenhänge zwischen Altersverteilungen der Patienten in Hausarztpraxen und Wirkstoff- und Indikationsgruppen der verordnete

Zusammenhänge zwischen Altersverteilungen der Patienten in Hausarztpraxen und Wirkstoff- und Indikationsgruppen der verordneten Arzneimittel

Reinhard Schuster

 

Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Schleswig-Holstein, Katharinenstr. 11a und

Universität zu Lübeck, Institut für Mathematik, Wallstr. 40, 23560 Lübeck

Reinhard.Schuster@mdk-sh.de

schuster@biomathematik.de

 

Einleitung: Altersstrukturen

Es sollen einführend die Altersstrukturen der Bevölkerung und der Rezeptpatienten in einer Beispielregion verglichen werden:

 

 

Für die Alterstruktur in bestimmten Kostensegmenten (Angaben in Euo pro Quartal) erhalten wir für die betrachtete Beispielregion

 

 

Auswertungsbeispiel

Die Präparate werden nach der internationalen ATC-Klassifikation (anatomisch-therapeutisch-chemisch) oder nach einer Indikationsklassifikation (nach Lauer-Taxe oder Roter Liste) in disjunkte Klassen unterteilt. Eine hohe Auflösung (z.B. ATC-7-Steller) ergibt dabei kleine Besetzungszahlen der Klassen (insbesondere bei weiterer Aufteilung nach ergänzenden Merkmalen), eine eher grobe Einteilung (z.B. ATC-1-Steller) ist dagegen bezüglich Krankheitsbild und Wirkstoffen wenig spezifisch. Als weitere Information soll verwendet werden, ob Patienten Verordnungen aus genau einer, genau zwei oder mindestens drei Klassen der verwendeten Einteilung erhalten. Dabei wird die Rangfolge der Arzneimittelklassen bei jedem Patienten nach Kosten oder DDD (Tagestherapiedosen) gemäß WHO-Nomenklatur gebildet. Erhält ein Patient Verordnungen aus mehr als drei Gruppen, werden die nach dem Kriterium führenden Gruppen verwendet, wenn die Besetzungszahlen über einem Schwellenwert liegen. Bei einer geringen Auflösung wird ein großer Teil der vorliegenden Datensätze in die Berechnungen einbezogen mit der Konsequenz einer relativ geringen Wirkstoff- bzw. Indikationsspezifität, bei höherer Auflösung verändert sich diese Relation. Die Primärdaten umfassen über zwei Millionen Verordnungen gemäß §300 SGB V für über 300.000 Patienten (pseudonymisiert) eines Quartales in dem Bereich einer kassenärztlichen Vereinigung. Von den Kombinationen von bis zu drei Arzneimittelklassen (geordnet nach Ausgaben in den Klassen pro Patient) treten je nach Auflösung in der Mehrzahl der Fälle nur Präparate aus einer Arzneimittelklasse pro Patient im Zusammenhang mit einer hohen Anzahl von Klassen mit Besetzungszahlen unter dem verwendeten Schwellenwert auf.

 

 

Betrachten wir den ATC-Dreisteller, so ist die von der Klassen- besetzungszahl führende Arzneimittelgruppe M01, Antiphlogistika und Antirheumatika (und keine Arzneimittel aus einer weiteren Gruppe beim gleichen Patienten) als eingipflige Verteilung mit dem Altersgipfel in der Altergsgruppe 40-44 gefolgt von C07, Beta-Adrenorezeptor-Antagonisten mit einem Altersgipfel bei 60-64 Jahren. Auf der ATC-Siebensteller-Ebene hat M01AB05, Diclofenac (ebenfalls ohne weitere Arzneimittel einer anderen Gruppe beim gleichen Patienten) eine zweigipflige Altersverteilung mit Gipfeln bei 15-19 und 65-69 Jahren. M01AE01, Ibuprofen hat Altersgipfel für 15-19 und 40-44 Jahre. Verwenden wir die Lauer-Indikation , so erhalten wir für die Indikationsnummer 35 (Chemotherapeutika) eine dreigipflige Verteilung mit Gipfeln bei 15-19, 35-39 und 70-74 Jahren.


Formalisierte Betrachtung

, () bezeichne eine Merkmalsausprägung wie Wirkstoff, ATC-Code auf bestimmter Ebene oder eine Indikationsgruppe auf bestimmter Hierarchieebene nach Lauer-Indikation oder Roter Liste.  () bezeichne das Alter eines Patienten/ Versicherten in Jahren oder in einer Jahresgruppe.  () bezeichne ein Verordnermerkmal, wie Arzt (innerhalb einer Fachgruppe oder innerhalb einer kassenärztlichen Vereinigung). Mit einem funktionalen Zusammenhang  soll eine Verordnungsquantität wie Anzahl, Bruttobetrag oder die Tagesdosis DDD bezeichnet werden. Als vierte Variable könnte eine Patienten-ID verwendet werden, so dass sich versichertenbezogene Verteilungen (wie obige Altersverteilungen) ergeben.

 

Für die Gesamtgruppe der Verordner erhalten wir als entsprechende Quantität

                                                                           

Wirkstoffunabhängig erhalten wir

                                                                           

Die dritte Randsumme ist dann ein altersunabhängiger Ausdruck

                                                                            

 

Altersabhängiges Wirkstoffspektrum

Ein altersabhängiges Spektrum erhält man mit

                                                                                  

und entsprechend altersnormiert als

                                                                                 

Das auf den Arzt  bezogene Altersspektrum ist

                                                                            

und entsprechend als altersnormierter Ausdruck

                                                                            

Nun kann das auf der Basis der verordneten Wirkstoffe zu erwartende Altersspektrum zu den Verordnungen mit dem tatsächlichen arztbezogenen Spektrum mit unterschiedlichen Abstandsmaßen verglichen werden. Verwenden wir die Summe der Absolutbeträge, ergibt sich als Abstand  für den Arzt  

                                                                   

und als quadratisches Abstandsmaß  

                                                                

Ein hoher Wert von  bzw.  weißt auf Besonderheiten zu einem Arzt im Fachgruppen- bzw. KV-Vergleich hin, die nicht allein aus dem Alters- und Wirkstoffbezug (entsprechend mit der anderen Deutung Indikationsbezug) erklärt werden können. 

Wirkstoffe mit maximaler Abweichung im Altersspektrum

Eine andere Zielrichtung der Betrachtung liegt vor, wenn gefragt wird, bei welchem Wirkstoff bzw. bei welcher Indikation eine maximale Abweichung zur Vergleichsgruppe vorliegt. Mit der Betragssumme erhalten wir die Maximierungssaufgabe über  

                                                                      

Dabei bezeichnet  die entsprechende Altersnormierung von . Verwenden wir für den ATC-Code oder die Lauer-Indikation eine hierarchische Struktur, so bedeutet das, dass wir mit verschiedenen Mengen  () mit  als der Anzahl der Hierarchieebenen arbeiten. Es kann dann betrachtet werden, ob sich das Ergebnis der Optimierungsaufgabe bei einer Vertiefung der Struktur vergrößert oder verkleinert. Eine Vergrößerung deutet auf eine Besonderheit des Wirkstoffes bzw. der Indikation vor dem Hintergrund der Verordnungspraxis hin.

Maximale wirkstoff- oder indikationsbezogene Unterschiede von Arzt zu Fachgruppe

Ein anderer Ansatz ist, wirkstoffbezogen (insbesondere für die Wirkstoffe bzw. Indikationen, die nach obiger Betrachtung hohe Distanzwerte zeigen) Differenzen im Altersspektrum zu den Verordnungen zwischen Arzt und Vergleichsgruppe zu analysieren und dafür dann wieder die entsprechende Maximierungsaufgabe zu stellen. Mit

                                                                    

und der analogen Altersnormierung für  ist dann in der Betragssummenversion

                                                                

für  zu lösen. Ziel der betrachteten Distanzmaße und der Maximierungsaufgaben ist es, eine gemeinsame Betrachtung von Wirkstoffen bzw. Indikationen und dem Alter der Patienten vorzunehmen, da von einer Altersspezifität in der Verordnungspraxis auszugehen ist, wie die einführenden Beispiele zeigen. Zu einer Interpretation von Maximalwerten ist eine weitere Modellbildung unter Einbeziehung medizinischer und pharmakologischer Gesichtspunkte empfehlenswert.

 

Literatur

1. Schuster, R.: Komponentenzerlegungen, Strukturen und Invarianten zu GKV-Arzneimittelverordnungsdaten. Journal of Public Health 4 (2003), 293-305.

2. Schuster R., Melcher D.: Kombinatorische Aspekte in der Arzneimittelepidemiologie. Abstract. In: Informatik, Biometrie und Epidemiologie 33 (2002), 152.

3. Schuster R., Melcher D.: Topologische Aspekte in der Arzneimittelepidemiologie. Abstract. In: Informatik, Biometrie und Epidemiologie 33 (2002), 152.

 

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